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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte über Trump, Berlin und Moskau "Trump weiß, dass das Gerede über Selenskyj nicht stimmt"

Einer von Trumps wichtigsten intellektuellen Ideengebern, Victor Davis Hanson, spricht im Interview über das Treffen von Friedrich Merz und Donald Trump, Angela Merkels Fehler und über mögliche harte Sanktionen gegen Russland.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Kaum jemand verteidigt Donald Trump so konsequent wie er: Victor Davis Hanson, Militärhistoriker, konservativer Intellektueller und langjähriger Berater des republikanischen Lagers in den USA. Im Gespräch mit t-online erklärt er, warum Trump Deutschland trotz aller Kritik bewundert, was der Präsident Angela Merkel bis heute übel nimmt und was hinter seiner Russlandpolitik steckt.
t-online: Mister Hanson, das erste offizielle Treffen zwischen Trump und Merz ist vorbei. Es schien einer der freundlicheren Besuche im Oval Office zu sein. Was ist Ihr Eindruck als Politikexperte?
Victor Davis Hanson: Trumps Einstellung zu Deutschland war immer realistisch, aber meist positiv. Soweit er sich kritisch geäußert hat, geschah das im Zusammenhang mit der deutschen Politik, die seiner Meinung nach – ähnlich wie die linke Politik in den USA – eine ansonsten von Natur aus starke Nation geschwächt hat.
Was meinen Sie damit?
Trump geht es dabei um das Thema offene Grenzen und um ungeprüfte, oft illegale Einwanderung. Aber auch um die Fixierung auf grüne Energie, die einige deutsche Industrien aufgrund der Energiekosten wettbewerbsunfähig gemacht hat, und die jahrelange Nichteinhaltung des Nato-Ziels, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.
Trump scheint offenkundig doch vor allem ein Problem mit der exportorientierten deutschen Wirtschaft zu haben.
Er mag etwas verärgert sein über asymmetrische Zölle und einen enormen Handelsüberschuss der EU gegenüber den USA. Aber diese beiden Themen sind verhandelbar.
Im Oval Office hat Trump neben dem Bundeskanzler auch wieder das Thema der Ostseepipeline Nord Stream 2 angesprochen. Das scheint, ihn nicht loszulassen.
Ja, Trump erinnert sich noch daran, dass er 2019 die europäischen Staats- und Regierungschefs vor ihrer gefährlichen Abhängigkeit von russischer Energie gewarnt hat. Der damalige deutsche Außenminister Heiko Maas schien sich, wenn ich mich recht erinnere, über diese Warnung sogar lustig zu machen. Das ist eine Erinnerung, auf die Trump mit seinem Verweis auf die Nord-Steam-2-Pipeline wohl angespielt hat.
Aber Sie sagen trotzdem, dass Trump Deutschland eigentlich wohlgesonnen ist?
Alles in allem bewundert Trump Stärke und Erfolg. So sehnt er sich wahrscheinlich nach dem "alten" Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts, das einst die EU-Wirtschaft ankurbelte und dessen wirtschaftliche Dynamik ein großer Gewinn für den Westen war. Offensichtlich aber bevorzugt er die bilateralen Beziehungen von Nation zu Nation, anstatt sich mit großen Konglomeraten wie der Europäischen Union auseinanderzusetzen.
Merz und Trump haben aus unterschiedlichen Gründen jeweils eine schlechte Beziehung zu Merkel. Hilft das dem Bundeskanzler in seinem Ansehen bei Trump?
Ich denke, dass Trump im Allgemeinen sehr empfindlich auf Merkels frühere Kritik reagiert, ganz zu schweigen von ihrer katastrophalen Politik der offenen Grenzen, durch die der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung in Deutschland auf fast 20 bis 21 Prozent gestiegen ist. Das ist sogar noch höher als der derzeitige Rekordwert von 16 Prozent in den USA, mit keinen einfachen Aussichten für Assimilation und Integration.
Wie Trump über Migration denkt, ist bekannt. Aber woher rührt diese offensichtliche Abneigung gegen Merkel?
Trump sieht Merkels Amtszeit als Rückschlag für Deutschland und auch für die Beziehungen zu den USA. Für ihn war es eine Politik, die Deutschlands Energieproduktion auf hysterische Weise und auf breiter Fläche nachhaltig demontiert und dazu seine Grenzen geschwächt hat. Gleichzeitig schürte sie in seinen Augen den Anti-Amerikanismus, rückte näher an Putins Russland heran, zerriss aber die Nato-Verpflichtung zu Verteidigungsinvestitionen und gab obendrein den weniger wichtigen Nato-Staaten Rückendeckung, damit auch sie ihre Zwei-Prozent-Verpflichtungen nicht erfüllen müssen. Merkel glaubte naiv, dass eine immer stärker integrierte EU die USA als Anführer des Westens bald ablösen könnte.
Sehen Sie das auch so?
Nun, ich denke, Trump weiß, dass Merkel in all diesen Punkten falsch lag, und er hat recht. Ihre Politik hat Deutschland geschadet, was sich unter anderem in einem bedauerlichen Anti-Trumpismus/Anti-Amerikanismus während ihrer Amtszeit manifestierte.
Das ist eine Sicht, die in Deutschland insbesondere von rechtsextremen Parteien geteilt wird.
Ich denke, dass diese Meinung auch unter den Nicht-Rechten weitverbreitet ist. Aber das bringt mich zu einem anderen Stein des Anstoßes für Trump. Er denkt, dass rechte Parteien in Deutschland nicht die gleichen Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung erhalten wie linksradikale Gruppen. Dabei sollte das in freien westlichen Gesellschaften der Fall sein.
Können Sie das bitte aus der Perspektive von Trump erläutern?
Man muss das Ganze vor dem Hintergrund des "lawfare" sehen, der hier in den USA gegen ihn geführt wurde (Anm. d. Red. eine Art der Kriegsführung mit juristischen Mitteln), bei der die Gerichte und Staatsanwälte zu Stellvertretern einer in Wahrheit politisch ohnmächtigen Linken wurden.
Sie spielen auf die legitimen staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn an, die zu mehreren Gerichtsverfahren geführt haben, in denen Trump in einem Fall sogar schuldig gesprochen wurde.
Dieser Fall wurde weithin verspottet und befindet sich zudem in Berufung. Die große Mehrheit der 93 Anklagen wurde fallen gelassen. Sie können das alles auch an dem surrealen Aufwand bei der FBI-Razzia in Mar-a-Lago im Jahr 2022, bei der es um Akten aus Trumps erster Amtszeit ging, sehen. Aber auch schon am Schwindel zu seiner angeblichen Kollaboration mit Russland, an der Desinformationskampagne in Bezug auf die Vergehen von Joe Bidens Sohn Hunter und auch am Einsatz sozialer Medien und der US-Regierung im Jahr 2020, um Nachrichten zu unterdrücken.
Und wie bringt der Präsident das mit Meinungsfreiheit in Deutschland zusammen?
Trump bewertet die deutschen Bemühungen, die AfD zu kastrieren, wie ähnliche frühere Versuche der amerikanischen Linken, mit verfassungswidrigen "Der Zweck heiligt die Mittel"-Methoden seine eigene politische Karriere zu zerstören.
Das sehen in Deutschland viele anders. Ebenso wird Trumps Russlandpolitik kritisch gesehen und in Bezug auf den Ukrainekrieg für zu nachgiebig gehalten. Glauben Sie denn, dass es möglich ist, Trump zu überzeugen, mehr Druck auf Russland auszuüben?
Aber ja, allerdings in der Kunst des "Dealmakings". Trump hat immer versucht, mit dem sprichwörtlich "Bösen" zu verhandeln oder ihm die Hand zu reichen, sei es in Nordkorea, im Iran, in China oder Russland. Seine Kritiker behaupten, dass dieses Vorgehen seine autokratischen oder diktatorischen Neigungen offenbare. Tatsächlich entspricht es eher seinem transaktionalen Ansatz in der Diplomatie, mit jedem, überall und jederzeit über alles zu sprechen und die Verhandlungen nicht etwa durch Beleidigungen selbst satanischer Persönlichkeiten zu gefährden.
Sie glauben, es geht ihm nicht um Bewunderung, sondern um Pragmatismus?
Das Ergebnis eines Dialogs ohne Bedingungen ist doch zweifach: Trump kann sagen, dass er bereit war, die Dinge auf diplomatischem Wege zu regeln und einem Gegner diese Gelegenheit gegeben hat. Zweitens hat er durch den Anschein, diplomatische Angebote auszuschöpfen, ein größeres Druckmittel bei seiner MAGA-Basis, wenn er gezwungen ist, doch zu den Waffen zu greifen.
Zur Person
Victor Davis Hanson, geboren 1953 in Kalifornien, ist ein US-amerikanischer Militärhistoriker, klassischer Philologe und konservativer politischer Kommentator. Er lehrte unter anderem an der kalifornischen Stanford University und arbeitet derzeit als Senior Fellow am konservativen Thinktank Hoover Institution. Er schreibt regelmäßig über aktuelle geopolitische und gesellschaftspolitische Themen, unter anderem für "National Review", "The New Criterion" und "Fox News". Als überzeugter Republikaner und früher Unterstützer von Donald Trump gilt Hanson als einflussreicher konservativer Intellektueller, der die außenpolitischen und kulturpolitischen Positionen Trumps immer wieder verteidigt.
Das klingt bei Ihnen so, als würde Trump im Zweifel doch härter gegen Putin vorgehen wollen. Das passt aber nicht zu dem, was wir bisher vom US-Präsidenten gesehen haben.
Trump erinnert sich daran, dass er einst viel härter gegen Putin vorgegangen ist als die EU, Obama oder Biden. Er ist in seiner ersten Präsidentschaft etwa aus dem Raketenabkommen ausgestiegen. Er schickte als Erster Offensivwaffen in die Ukraine und hat begonnen, mehr Öl zu fördern, um über den sinkenden Weltmarktpreis Russland zu schaden. Trump hat Oligarchen sanktioniert, hat in den USA aufgerüstet, und Teile der russischen Wagner-Truppen in Syrien liquidiert, die Nato zur Aufrüstung gedrängt und vieles mehr.
Vor dem Hintergrund seiner aktuellen Strategie klingt das etwas beschönigend.
Es war aber so. Um den Zielpersonen eine Chance auf Verhandlungen zu geben, hatte er den Iran, den IS, Russland usw. wiederholt vor deren Aggressionen in Syrien und im Irak gewarnt. Dann hat er den iranischen Kommandeur der Revolutionsgarden Qasem Soleimani, den islamistischen Terroristen Abu Bakr al-Baghdadi und 2018 wie gesagt ein Bataillon der russischen Wagner-Gruppe in Syrien liquidiert. Ironischerweise hat Trump damit mehr russische Kämpfer getötet als die USA in den gesamten 45 Jahren des Kalten Krieges.
Warum hackt Trump dann so auf dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj herum und übernimmt offenkundig die russische Propaganda?
Trump weiß sehr wohl, dass all das Gerede über Selenskyj als Hindernis für den Frieden nicht ganz stimmt, dass die russische Expansionsagenda den Krieg verursacht hat und den Frieden verhindert. Und er weiß auch, dass er, um Putin zu Verhandlungen zu bewegen, letztlich gezwungen sein wird, ziemlich harte Sanktionen in Form von Sekundärsanktionen gegen Länder zu verhängen, die Öl und Erdgas aus Russland importieren, darunter übrigens auch amerikanische Verbündete.
Trotzdem: Warum schlägt sich Trump nicht eindeutiger auf die Seite des demokratischen Verbündeten, auf die Seite der Ukraine?
Was für die Ukraine strategisch vertretbar ist, um eine russische Aggression abzuwehren, kann geostrategisch sehr gefährlich sein. Im Kalten Krieg gab es etwa die Regel, dass ein dritter Stellvertreter nicht das Heimatland unseres nuklearen Rivalen angreifen oder bedrohen darf. Dazu kann man etwa unsere Reaktion auf Kuba 1962 vergleichen. Wir feiern Selenskyj heute für die mutigen und erfolgreichen Drohnenangriffe gegen die russischen Atombomber auf den Luftwaffenstützpunkten. Dennoch war dies ein Schritt, den wir im Kalten Krieg noch nie gesehen haben und der sich als ziemlich gefährlich erweisen könnte.
Inwiefern?
Vor allem in den Augen von Trump, weil er zu Hause gerade eine kulturelle und wirtschaftliche Konterrevolution führt. Er fürchtet diesen Schwenk hin zu zwei Schauplätzen mit eskalierenden Kriegen – in der Ukraine und im Nahen Osten.
- Mehrfacher schriftlicher Austausch mit Victor Davis Hanson